Brauchen und brauchen … Eine Hauskäuferin berichtet:
Nie wollten wir ein Haus in Schweden kaufen. Oder richtiger: „wollten“ schon, aber die Vernunft hat uns davon abgehalten: zu weit von Baden-Württemberg, zu wenig Zeit es zu nutzen, mehr Arbeit als Vergnügen (Rasen mähen, Renovierungen, Reparaturen), nicht nachhaltig, zu teuer. Dann kam Corona. Und mit Corona das Homeoffice.
Wie wir erstmals den Gedanken wagten …
Auf einer Reise nach Dalarna fing es an: Nach 2 Jahren Reisestillstand konnten mein Partner und ich uns nicht sattsehen an den kleinen Holzhäuschen, die manches Mal auch unbewohnt und verlassen an den Wegen standen. Uns wurde bewusst, wie viele Häuser dieser Art es in Schweden geben muss. Und wir wagten erstmals den Gedanken, so ein Häuschen zu erwerben.
Die Suche
Aber wo anfangen? Wir waren öfter in den Göteborger und Stockholmer Schären, weil Freunde in der Nähe wohnen. Aber dort ist Wohnraum irre teuer und eigentlich auch nicht zu bekommen. Also fragten wir deutsche Freunde, die vor vielen Jahren schon ein Haus in Südschweden gekauft hatten. Und sie rieten uns, drei Kriterien anzulegen:
1. Das Haus ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
2. Es gibt Geschäfte in der Nähe.
3. Die ärztliche Versorgung ist gesichert.
Für uns selbst war wichtig:
4. Das Haus hat eine passende Größe, ist gut aufgeteilt und ohne aufwendige Renovierungen bewohnbar.
5. Der Garten bedarf keiner aufwendigen Pflege.
6. Es hat einen hohen Freizeitwert, d. h. man kann in der Nähe gut wandern, radfahren und Interessantes sehen und erleben.
Natürlich setzten wir uns auch ein finanzielles Limit. Anhand dieser Kriterien begann ich in Skåne auf den zwei großen Immobilienportalen Booli und Hemnet mit Hilfe der Filterfunktion zu suchen. Dabei war es natürlich von Vorteil, dass ich Schwedisch verstehe und von Anfang an in der Landessprache suchen konnte. Jeden Morgen unterrichtete mich ein Newsletter von Booli und Hemnet über die neuen Angebote in der Region.
Der erste Versuch – wir lernen
Mitte September hatte ich 5 Objekte auf meiner Liste, die alle im Abstand von 100 km lagen. Und wir konnten die Besichtigungen für alle 5 Häuser auf ein verlängertes Wochenende legen.
Voller Spannung fuhren wir los: mit dem Zug nach Berlin und dann mit dem Nachtzug nach Malmö. In Kristianstad hatten wir eine Ferienwohnung und ein Elektroauto gemietet und begannen mit den Besichtigungen („visningar“). Bei zwei Häusern waren wir allein, bei den anderen waren andere Interessenten dabei. Gleich das erste Haus, ein rotes Holzhaus mit Walmdach, war mit viel Liebe renoviert und eingerichtet worden. Aber die Lage passte nicht und der Garten war zu pflegebedürftig, und so fuhren wir etwas enttäuscht wieder weg. Das zweite Haus sah auf den Fotos viel schöner aus als in Wirklichkeit – wir lernten in Zukunft bei den Fotos genauer hinzuschauen. Das dritte Haus gefiel uns, aber es war uns eigentlich schon vorher überteuert vorgekommen: Der „utropspris“ (Ausrufpreis = Preis, der im Internet angegeben ist) war zu hoch für das, was es bot. Zwar lag er innerhalb unseres Limits, aber wenn er durch das in Schweden übliche Bieterverfahren („bjudgivning“) stiege, hätten wir keine Chance.
Das vierte Haus war kein „fritidshus“ (Freizeit-/Ferienhaus), sondern eine „villa“ und dadurch eigentlich zu groß. Das hätten wir in Kauf genommen, aber es stellte sich heraus, dass es an einer Durchgangsstraße lag.
Tja, und das fünfte Haus gefiel uns richtig gut: relativ neu und daher gut isoliert, kompakt gebaut, mit 3 Zimmern „lagom stor“ (passend groß), mit Bahn und Bus gut erreichbar, Geschäfte in Fahrradnähe, ein kleiner Garten und eine schöne Lage in der Nähe vom Meer. Wir blieben lange bei der Besichtigung, fragten dem Makler Löcher in den Bauch (und bekamen Komplimente für unsere Schwedischkenntnisse) und fuhren dann mit dem Gefühl ab: Das könnte es sein!
Wir bieten!
Abends entschlossen wir uns – als erste – ein Gebot abzugeben. Ist man in Schweden ansässig, läuft dieses Bieterverfahren oft über die „mobilt bank-ID“ (mobile Bankidentifikation), für die man die berühmte „personnummer“ braucht. Wir hatten dem Makler aber gesagt, dass wir keine „personnummer“ haben und so lief das Verfahren einfach über SMS und eine Kennziffer. Bei der Besichtigung waren zwar andere Interessenten gewesen, aber es gab bisher keine anderen Bieter. Daher sprach der Makler mit uns wie mit den künftigen Eigentümern des Hauses: Es ging um das Kaufprozedere, die Übergabe und Möbel, die wir übernehmen könnten.
Die Lage änderte sich schlagartig, als wir schon wieder zu Hause waren: Plötzlich plingte morgens mein Telefon und ein neues Gebot stand hinter unserem. Wir hatten unser Angebot etwas über den „utropspris“ gelegt, um die Verkäufer zu überzeugen, dass wir wirklich kaufen wollten. Nun gab es da andere Leute – Unbekannte –, die mit uns um das Haus buhlten. Im Minutenrhythmus gaben wir die Gebote ein. Mein Adrenalinspiegel war gefühlt über dem messbaren Bereich. Wir näherten uns unserem Finanzlimit. Ich sicherte mich noch mal mit meinem Partner ab, tippte schließlich das Limit ein und wusste, dass mit dem nächsten „Pling“ der Traum von diesem Haus vorbei wäre. Und das „Pling“ kam … wir waren überboten worden.
Der zweite Versuch
Völlig frustriert wollte ich erst mal alles hinwerfen. Aber zum Glück kamen gerade an diesem Tag einige neue Angebote über Booli und Hemnet herein.
Ich rappelte mich wieder auf und erweiterte im nächsten Schritt noch unseren Suchradius. So hatte ich dann jeden Morgen mehrere neue Häuser im Postfach. Ich habe insgesamt viel Zeit damit verbracht, diese Anzeigen durchzuschauen, die Lage zu ermitteln, die Fotos genau zu inspizieren und den Text zu interpretieren. „En charmig villa“ ist eben meistens ein älteres, renovierungsbedürftiges Haus, „omgiven av natur“ bedeutet, dass weit und breit kein Supermarkt ist, und „energiklass G“ heißt, es pfeift überall rein. Auch beim Preis hatten wir dazu gelernt: Für unsere Bedürfnisse kamen Häuser unter einem Betrag X nicht in Frage, weil sie eben sehr viel über die Qualität des Hauses aussagen.
Bei manchen Maklern habe ich mich außerdem in deren Kundenkartei aufnehmen lassen („bevakning“), was bedeutet, dass man Objekte angeboten bekommt, die noch nicht offiziell auf dem Markt sind. Dies hat uns dann schließlich auch zum Erfolg verholfen …
Es klappt!
Im Oktober sind wir ein zweites Mal über ein langes Wochenende nach Schweden gefahren, diesmal mit 8 akribisch geplanten Besichtigungsterminen in verschiedenen Regionen und bei 8 verschiedenen Maklern[1]. Die drei priorisierten Häuser auf unserer Liste haben wir auf die ersten Tage gelegt. Gleich am Samstag in aller Frühe hatten wir einen Termin mit einer jungen Maklerin, die uns noch in der Morgendämmerung am Haus empfing. Sie ließ uns ein, und schon beim ersten Blick war mir klar: „Das ist es!“ Wir schauten das Haus, die Garage, den Garten und den „förråd“ genau an, aber es war tatsächlich alles so, wie die Bilder es gezeigt hatten (mal abgesehen vom unvermeidlichen Weitwinkel). Der Vorteil bei diesem Haus war, dass es noch „på gång“ (in Planung) war, d. h. bisher nur auf der Makler-Homepage sichtbar. Das Verkäufer-Paar war aber einverstanden damit, dass wir es uns jetzt schon anschauten.
So waren wir nicht nur allein bei der Besichtigung, sondern konnten auch die Maklerin fragen, ob wir den Verkäufern einen Preis vorschlagen könnten, der über dem „utropspris“ ist, um ein Bieterverfahren zu vermeiden. Zum Glück waren mein Partner und ich uns einig: Wir wollen dieses Haus! Am selben Abend schickten wir der Maklerin einen Preis und sie vermittelte ihn an die Verkäufer. Nach einem bangen Tag Warten kam am folgenden Nachmittag die erlösende Antwort von der Maklerin: Ja, die Verkäufer seien einverstanden mit unserem Angebot. Zu dem Zeitpunkt saßen wir in einer schönen altmodischen „konditori“ und mir flossen vor lauter Erleichterung die Tränen! Und es kam noch besser: Die Verkäufer schrieben, wir könnten einen Großteil der Möbel (Betten, Sofas, Schränke) übernehmen, wenn wir noch etwas mehr bezahlen. Da das Haus hübsch und gut eingerichtet war, sagten wir sofort zu.
Der Kauf
Dies alles spielte sich an einem Sonntag ab! Da wir am Dienstag abreisen mussten, organisierte die Maklerin am Montag Vormittag sogar noch einen „besiktningsman“ (Gutachter) und beraumte für den Nachmittag gleich die Unterzeichnung des Kaufvertrags („köpekontrakt“) im Maklerbüro an. So konnten wir tatsächlich nach nur 4 Tagen in Schweden mit einem Kaufvertrag nach Deutschland zurückfahren. Wieder hörten wir allerdings, dass dies alles nicht so schnell und einfach gegangen wäre, wenn wir nicht so gut Schwedisch sprächen.
Zuhause warteten dann auch noch allerlei administrative Aufgaben auf uns: In Schweden hatten wir schon die Eröffnung eines Kontos bei einer schwedischen Bank angestoßen. Obwohl wir bei derselben Bank schon einmal ein Konto hatten, hat sich die Eröffnung mehrere Wochen hingezogen, und wir mussten nacheinander beglaubigte Kopien unserer Personalausweise, eine Meldebescheinigung, einen Nachweis unserer Bank in Deutschland und einen Vermögensnachweis einschicken. Ohne „personnummer“ wie immer alles ein ziemlich kompliziertes Verfahren!
Den sogenannten „handpenning“, die 10 % Anzahlung auf das Haus, konnten wir von unserem deutschen Konto aus tätigen. Wir haben den Betrag in schwedischen Kronen überwiesen, ein etwas umständliches Verfahren, was vermutlich nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Man hätte den Betrag auch einfach in Euro umrechnen und überweisen können. Für die restlichen 90 % war allerdings das schwedische Konto notwendig: Dieser Betrag wird nämlich am „tillträdesdag“ (Zutrittsdag) vom Makler veranlasst: Wir unterschrieben in seinem Beisein ein Überweisungformular, das er anschließend an unsere schwedische Bank faxte, die dann den Betrag auf das Konto der Verkäufer überwies. Nachdem das Geld auf deren Konto eingegangen war (was ca. 10 Minuten dauerte), erhielten wir den „köpebrev“ (Kaufbrief) und die Schlüssel zu unserer „Lilla villa“. Noch am selben Nachmittag sind wir dorthin gefahren und haben das erste Mal unsere Haustür aufgeschlossen! Dank der vorhandenen Möbel und sogar Küchengeschirr konnten wir abends den ersten Tee im Haus trinken und vom ersten Tag an dort übernachten.
Nach dem „tillträde“ wird noch der Grundbucheintrag („lagfart“) durch den Makler veranlasst, und wenige Wochen später ist man ganz offiziell Eigentümer von Haus und Grund. Über das „Skatteverket“ (Finanzamt) erhielten wir dann noch eine sogenannte GD-Nummer, mit der man gewisse Behördengänge auch ohne „personnummer“ tätigen kann.
In der Zwischenzeit konnten wir uns um Breitband[2], Strom, Müll etc. kümmern. Auch hier halfen unsere Schwedischkenntnisse, denn wir konnten uns schnell informieren, kommunizieren und agieren.
Die ersten Tage im Haus …
Während der ersten Tage im Haus haben wir dann sogar noch eine Photovoltaikanlage bestellt: Der Anbieter kam zu einem Info-Gespräch zu uns ins Haus, maß die Flächen ab und schickte uns kurz darauf ein passendes Angebot.
Ach ja, und dann klopfte es eines Abends an der Tür und ein großer freundlicher Mann fragte, ob wir denn Schwedisch verstünden. Es stellte sich heraus, dass es Per-Olov, unser Nachbar war. Er hatte mit den Vor-Eigentümern vereinbart, ihre Mülltonne mit an den Straßenrand zu stellen und im Gegenzug während ihrer Abwesenheit ihre Garage zu nutzen. Selbstverständlich haben wir der Fortsetzung dieser Vereinbarung gerne zugestimmt und Per-Olov und seiner Frau Pernilla gleich noch zwei Stücke selbstgebackenen Stollen ins Nachbarhaus gebracht.
Fazit
Tja, braucht man nun Schwedischkenntnisse, um ein Haus in Schweden zu kaufen?
Natürlich geht es auch immer irgendwie auf Englisch, aber im Bericht wird klar, dass es beim Hauskauf sehr nützlich ist, Schwedisch zu können: Schon Kenntnisse auf dem Niveau A2/B1 helfen weiter, die Hausanzeigen zu verstehen, E-Mails auszutauschen oder ein einfaches Gespräch mit der Maklerin zu führen. Auch administrative Vorgänge gehen dann schneller und einfacher. Und schließlich ist der erste Eindruck, den man hinterlässt, nicht zu unterschätzen: Hier ist jemand, der in Schweden wohnen möchte und sich bemüht, die Landessprache zu verstehen und zu nutzen.
[1] Durch die große Zahl an Häusern gibt es auch eine Vielzahl an Maklerbüros. Einige große Maklerbüros finden sich in allen Städten, andere sind an Banken angeschlossen, wieder andere arbeiten nur regional. Alle haben dann wieder mehrere „mäklare“ und „mäklarassistenter“.
[2] Hier gibt es große Unterschiede bei der Antragstellung: Wir hatten Glück und fanden einen Anbieter, bei dem sowohl die Beantragung als auch die Freischaltung völlig unkompliziert per Telefon ging: Ich musste lediglich die Personalausweisnummer nennen. Vom „tillträdesdag“ an hatten wir dann auch Breitband im Haus.
Bild oben: JerkerAndersson/imagebank.sweden.se